Was ein spannender Pride Month der Juni war! Die ersten Pride-Paraden konnten tatsächlich wieder real stattfinden, aller Ortens waren Regenbögen zu sehen und einmal mehr wurden hitzige Diskussionen um beleuchtete Stadien und andere Themen geführt. Wir bei Spawnpoint haben diese Diskurse interessiert verfolgt:

Es ist nicht das erste Mal, dass öffentlich darüber debattiert wird, ob LGBTQ+ Inhalte in Spiel und Sport etwas zu suchen haben. Wer die Gamingszenen verfolgt, weiß, dass die Ausflucht „Aber Spiele sollen nur Spaß machen und nicht politisch sein!“ sehr gerne genutzt wird. Vor allem sobald ein Spiel Wert auf Repräsentation von queeren und anderen marginalisierten Communitys setzt. Spawnpoint vertritt hier eine sehr klare Position: Spiele sind ein Kulturgut, das vielfältigen Ausdruck ermöglicht. Spaß zu haben kann ein Ziel sein. Aber Games sind immer auch ein Spiegel der Gesellschaft, in der sie entstehen und gespielt werden. Sie ermöglichen uns, Erfahrungen aus Perspektiven zu machen, wie es uns sonst nicht möglich ist. Manchmal ist dies der Space Marine, der auf einem fremden Planeten Aliens bekämpft – und manchmal ist es eben der Transmann, der sich in seiner Heimatstadt seinen Traumata stellen muss, wie bei Tell me why (das übrigens bis Ende Juni noch kostenlos ist! Schaut‘s euch doch einmal an!).

Spiele wie Tell me why, die queere Geschichten in den Mittelpunkt stellen, sind leider immer noch eher selten. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex – und sollen an dieser Stelle auch gar nicht Thema sein. Stattdessen möchten wir einen kurzen Blick zurück werfen: Denn queere Repräsentation in Games, so rar sie auch war, gab es schon in der Frühzeit der Games, auch wenn man vielleicht etwas danach suchen muss. Auf der Recherche danach ist das LGBTQ Video Game Archive eine große Hilfe. Dabei handelt es sich um ein (inzwischen) Community-gestütztes Projekt, das LGBTQ+-Inhalte in meist digitalen Spielen ab 1980 sammelt.

Die Liste an Titeln mit mehr oder weniger explizit queeren Inhalten ist überraschend lang. Daher hier nur ein paar Highlights aus der regenbogenbunten Videospielgeschichte. Dabei versuche ich, vor allem bekanntere Spielen aufzulisten. Diese Aufzählung trifft aber keine Urteile über Relevanz oder Qualität der Repräsentation in den genannten Spielen, sondern soll einfach nur ein paar Beispiele für queere Inhalte in Games aufzeigen. Viel Spaß mit meiner kleinen Zeitreise durch das queere Gaming!

Die 80er:

Alles fängt mal klein an. Das Archiv verzeichnet für dieses Jahrzehnt 25 Einträge – die meisten davon eher unbekannte Titel. Dazu gehört auch Richard O’Briens The Rocky Horror Show (1985) für Apple II, Commodore 128 und andere Heimcomputer. Das Spiel basiert auf dem Film The Rocky Horror Picture Show von 1975, der nicht nur in der queeren Community nach wie vor Kultstatus hat (trotz der aus heutigen Sicht eher problematischen Darstellungen). In Phantasy Star II (1989) auf dem Sega Mega Drive wird ein Phänomen deutlich, das recht häufig zu sehen ist: Queere Inhalte japanischer Spielversionen wurden häufig bei der Lokalisation unterschlagen oder umgedeutet. Bei Phantasy Star II sieht man das an einem Nebencharakter namens Ustvestia: Dieser verlangt im japanischen Original von männlichen Charakteren weniger Geld für seinen Pianounterricht. Er kommentiert dies mit den Worten „Er sieht süß aus.“ Die englische Lokalisation macht daraus „He looks smart.“ - „Er sieht schlau aus.“, was die Implikationen, dass Ustvestia ein queerer Charakter sein soll, entfernt.

Ähnliche Unterschiede gibt es beim Charakter Birdo aus Doki Doki Panic (1987) für das NES, das im Westen mit kleinen Änderungen als Super Mario Bros. 2 (1988) erschienen ist. Birdo wird aufgrund von Beschreibungen in der beiliegenden Anleitung zum Spiel gerne als die erste transgender Videospielfigur genannt, was in Japan stärker impliziert wurde, als in westlichen Märkten. Auch in späteren Auftritten Birdos wird ihr Geschlecht öfter mal unterschiedlich angegeben.

Queerness bedeutet auch das in Fragestellen von Gendernormen. Daher muss an dieser Stelle natürlich auch Samus Aran aus Metroid (1986), ebenfalls für das NES, genannt werden. Obwohl Samus in späteren Titel der Serie als explizit cis und weiblich dargestellt wird, wurde dies im ersten Spiel der Reihe erst am Ende des Spiels als große Enthüllung behandelt. Diese Subversion von Erwartungen an das Geschlecht der Spielfigur wurde dabei, bewusst während der Entwicklung des Spiels entschieden was recht gut dokumentiert ist, und hat dazu geführt, dass Samus nach wie vor als queere Ikone gesehen wird.

Die 90er:

Mit dem Erscheinen neuer, extrem erfolgreicher Konsolen wie dem SNES und der Sony Playstation verzeichnet auch das LGBTQ Video Game Archive für dieses Jahrzehnt deutlich mehr Einträge: 92 Titel werden aufgelistet, darunter auch einige sehr bekannte Namen. In Chrono Trigger (1995) für das SNES treffen die Held*innen im Kampf auf den Magier Flea. Zwar ist dieser leider ein Beispiel, dass queere Charaktere in frühen Games fast immer auf der Seite der Bösewichter zu finden sind, dennoch ist sein Auftreten bemerkenswert: Flea ist feminin gekleidet, bezeichnet sich aber mit männlichen Pronomen im Spiel. Durch folgendes, überraschend progressives Zitat, hat er sich einen Platz auf dieser Liste gesichert: „Male or female, what difference does it make? Power is beautiful, and I’ve got the power.“

Leider bieten einige der LGBTQ-Inhalte in diesem Jahrzehnt auch eher negative Repräsentationen: Final Fantasy VII (1997) für die PlayStation ist berüchtigt für die Honeybee Inn, wo neben einer Crossdressing-Sequenz (die für sich eher unproblematisch ist) auch sehr fragwürdige Interaktionen mit den Kunden des Bordells stattfinden können. In Simon the Sorcerer 2 (1995), das auf unterschiedlichen Plattformen erschien, waren LGBTQ-Inhalte fast ausschließlich in Form von stereotypen Witzen oder Darstellungen enthalten, was die hauptsächliche Repräsentation von Queerness in den Medien recht gut spiegelt.

Kurz vor der Jahrtausendwende findet sich dann aber doch noch ein positives Beispiel: Im Rollenspiel Persona 2 (1999) für die Playstation kann der männliche Protagonist unter anderem auch eine Beziehung zu einem männlichen Charakter eingehen, was ebenso positiv dargestellt wird, wie die Beziehungen zu weiblichen Charakteren. Damit ist Persona 2 eines der ersten Spiele, bei denen eine gleichgeschlechtliche Beziehung möglich gemacht wird.

Ich hoffe dieser kurze Ausflug in die queere Frühgeschichte der Games hat euch gefallen! Nächste Woche wird es dann um die 2000er bis hin zu aktuellen Spielehighlights gehen. Bis dahin, werft ruhig mal selbst einen Blick ins LGBTQ Video Game Archive!

Thilo Eisermann, 25.6.2021