Immer noch sind Remakes alter Videospiele extrem erfolgreich. Der Retro-Spiele-Markt boomt. Mit einer Netnography untersucht Thilo im Rahmen seiner Dissertation, wie diese Retro-Welle kulturell verhandelt wird. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle von Nostalgie.
Digitale Spiele sind nicht mehr länger nur die neueste Form der Unterhaltung, sondern blicken auf eine inzwischen über 50jährige Geschichte zurück.
Im Rahmen seiner Arbeit bei Spawnpoint arbeitet Thilo an seiner Dissertation mit dem Titel:
"Retro-Games und ihre Rolle bei der Aushandlung von Games Culture in digitalen Räumen"
Viele neuere Spiele setzen bewusst auf eine Pixel- oder Polygonästhetik wie zu Zeiten des Super NES oder der Playstation 1 - und sind damit enorm erfolgreich. Doch nicht nur in dieser Form prägen Titel aus der Vergangenheit die moderne Spielelandschaft: Viele groß angekündigte Veröffentlichungen der großen Publisher tragen den Zusatz „Remastered“, „HD“, „Remake“ oder ähnliche Zusätze im Titel. Dahinter verbergen sich zum Teil mehr als 20 Jahre alte Spiele, die audiovisuell, zum Teil aber auch im Gameplay überarbeitet und für den modernen Spielemarkt aufbereitet wurden.
Retro spielt in Diskussionen über Spiele eine offensichtliche Rolle. Immer wieder werden Bilder von alten Konsolen und Spielen gezeigt, Memes geteilt oder Diskussionen über die Entwicklung von Spielen angestoßen. Der Tenor: „The good old days“, die guten alten Tage, werden den zahlreichen Problemen der modernen Spielkultur gegenübergestellt.
Das Projekt geht der Forschungsfrage nach:
„Wie wird Games Culture im digitalen Raum anhand nostalgischer Retro-Spielerfahrungen verhandelt?“
Diese Frage soll auf Basis einer qualitativen empirischen Untersuchung von Online-Räumen der Gaming-Community untersucht werden. Als Methode wird die Netnographie gewählt, eine Abwandlung bzw. Erweiterung der digitalen Ethnographie nach Kozinets (2020).
Ein Phänomen dem sich die Arbeit widmet: Auch für eigentlich veraltete Konsolen werden heute noch neue Spiele entwickelt. (Eigene Aufnahmen von der Gamescom 2024)
Abstract der Arbeit
In der modernen Games Culture spielen sogenannte Retro-Games - ältere Videospiele die auf obsoleten Technologien basieren – oder deren Neuauflagen, Remakes oder Remasters genannt, eine große Rolle. Das Promotionsvorhaben untersucht vor dem Hintergrund der Cultural Studies, wie Retro-Games in Prozesse der Aushandlung von Games Culture einbezogen werden. Zunächst gibt das Vorhaben eine Übersicht über relevante Punkte der Kulturgeschichte der Videospiele und wirft Überlegungen zur Konstruktion kollektiver Erinnerungskultur auf. Weiterhin werden aktuelle Formen von Retro-Spielen und der zugehörigen Fankultur vorgestellt. Es werden Konzepte von Nostalgie in ihrer kulturellen sowie emotionalen Bedeutung vorgestellt und daraus Fragestellungen in drei Dimensionen nostalgischer Diskurse entwickelt: In den Dimensionen nostalgischer Ästhetisierung, nostalgischer Kritik und nostalgischer Identitätsbildung. In der anschließenden empirischen Untersuchung soll untersucht werden, inwiefern Retro als ästhetisches Mittel, als Mittel zur Konsumkritik oder zur Apolitisierung des Mediums sowie als Mittel zur Identitätsbildung genutzt wird. Gegenstand der empirischen Untersuchung sind reddit-Communities, die mittels einer Netnography nach Kozinets (2020) untersucht werden sollen. In deren Rahmen wird die Plattform systematisch auf, in fünf Kategorien passende, sogenannte „data sites“ durchsucht, welche anschließend in einem immersiven und reflektiven Prozess mit Anlehnung an ethnographische Verfahrensweisen untersucht werden.
Vor dieser Arbeit hätte ich mich niemals als Nostalgiker bezeichnet – im Gegenteil: Ich halte mich für offen gegenüber neuen Erfahrungen, schätze Innovationen mehr als Traditionen und bin auch nicht der Typ, der in Fotoalben schwelgt. Ich besitze nicht einmal eines. Dennoch merke auch ich, wie gerne ich mich in die Vergangenheit zurückversetze – und Games sind ein Vehikel dafür.
Meilensteine
Juli 2021 bis Dezember 2022:
Theoriearbeit, Literaturrecherche, Entwicklung der Forschungsfragen (Initiation-Phase)
September 2021:
Gastvorlesung & Vorstellung des Projektes „Pixelwelten – Geschichte und Grundlagen der Games Culture“ bei der Ringvorlesung “Not Playing Around The Business, Theory, Art & Culture of Gaming” an der Zeppelinuniversität Jena
Oktober 2021:
Interview als Spezialist für „Nostalgiewelle bei Videospielen: Neuauflagen von Klassikern überfluten Spielemarkt“LINK
März 2022:
Einreichung und Veröffentlichung eines Artikels basierend auf den bisherigen Recherchen: Eisermann, Thilo (2022): Sonic Mania: In Schallgeschwindigkeit zwischen damals und heute. In: Junge, Thorsten/Schumacher, Claudia (Hrsg.): Digitale Spiele im Diskurs. LINK
Januar 2023:
Finalisierung Theoriekonzepte & Beginn Planung der empirischen Phase (Investigation, Immersion, Interaction)
Februar 2023:
Konzeption & Teilnahme „Retro Talk – Zwischen Nostalgie und Profit“, Podiumsdiskussion auf der Messe Mag-C in Erfurt
Juni 2023:
Einreichung eines Artikels basierend auf den bisherigen Ergebnissen: Eisermann, Thilo (2024) Träumen von der Vergangenheit: Retro-Gaming in der Pandemie. In: Compagna, Diego (Hrsg.) Gaming in Zeiten der Krise. Zur Nutzung, Bedeutung und Funktion digitaler Spiele während der Corona-Pandemie. Beltz Juventa: Weinheim. (Vorraussichtliches Erscheinungsdatum: 11.12.24)
Juli 2023:
Vorstellung des Projektes beim Doktorand*innenkolloquium
August bis Oktober 2023:
Investigation - Durchführung Search-Phase: Zusammenstellung möglicher Data-Sites auf YouTube und Reddit
Oktober Bis Dezember 2023
Investigation - Durchführung Selecting-Phase: Auswahl der Data Sites für die Datenerhebung während der Immersion-Phase
Ab Januar 2024:
Vorbereitung der Immersion-Phase zur Datenerhebung – Konzeption der Netnography, des ethischen Leitfadens sowie weitere Literatursichtung
Ab September 2024:
Durchführung Immersion-Phase – 8 wöchige netnographische Immersion in Retro-Foren auf reddit.com
Geplant für 2025:
Integration-Phase - Datenauswertung und –interpretation
Incarnation-Phase – Finalisierung & Formulierung des Forschungsberichts